Wo sind die Grenzen der Manipulation von Fotografien?
Dieses Thema erregt die Gemüter der internationalen Fotografengemeinde wie kein Anderes. Bei vielen Fotowettbewerben müssen inzwischen neben einem Print im Format von ca. 20x30cm auch die zugehörigen RAW-Dateien eingereicht werden. Die Juroren erhoffen sich davon die Möglichkeit Manipulationen erkennen und ausschließen zu können. Aber wo fängt eine unerlaubte Manipulation an und wo hört sie auf? Ist die Verwendung eines Polarisationsfilters nicht schon eine Manipulation dessen was das „Auge sah“? Oder die Verwendung eines Fuji Velvia 50 statt eines neutralen Provia? Darf man den Himmel mit einem Grauverlaufsfilter abdunkeln, weil der Chip der digitalen Kamera den Tonwertumfang ansonsten nicht einzufangen vermag?
Was ist erlaubt, was nicht? Ein heikles Thema in dem es die „Reine Wahrheit“ nicht zu geben scheint.
So wurde vor einigen Tagen bei einem renommierten Fotowettbewerb ein Foto eingereicht, das wenig später als „manipuliert“ entlarvt und daher disqualifiziert wurde. So sah das aus…
Schaut man sich diese sehr stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Fotografie an so fällt auf, dass die Schatten der Boote im Vordergrund das Ergebnis eines Sonnenstandes sein müssten, bei dem die Sonne ganz rechts außerhalb des Bildes stand. Doch das Bild zeigt einen bedrohlich verhangenen Wolkenhimmel bei dem der „helle Kegel“ in der Bildmitte zu sehen ist. Wie kann diese Lichtsituation einen derartigen Schattenwurf ergeben? Offenbar scheint es sich um eine Manipulation zu handeln. Dies erkannten die Juroren leider zu spät, was ihr Fachwissen und das Auswahlverfahren in keinem „guten Licht“ erscheinen lässt.
Nachdem dieses Bild disqualifiziert wurde, hat sich die Jury überlegt ein anderes Bild zum Gewinner des Fotowettbewerbs zu ernennen und zwar dieses Bild hier:
Hier scheint nun alles „echt“ zu sein, aber ist diese Fotografie ein echtes „Siegerbild“ in einem Wettbewerb mit dem Thema „Landschaftsfotografie“?
Der disqualifizierte Fotograf bezog in einer E-Mail Stellung zu seinem Bild. Er gab zu die Regularien des Wettbewerbs nicht gelesen zu haben und dass er sich keine Gedanken gemacht hat, als er den bedrohlichen Wolkenhimmel in seinem Foto ergänzt hat.
Ich selbst lese seit vielen Jahren mit Begeisterung die „GEO für Fotografen“, die Zeitschrift NaturFoto die im Teckleborg Verlag erscheint. In der letzten Ausgabe der NaturFoto gab es einige Bilder aus dem preisgekrönten Norwegen-Portfolio des Fotografen Radomir Jakubowski zu sehen. Die Webseite dieses Fotografen findet Ihr hier: www.naturfotocamp.de
Schaut man sich das preisgekrönte Portfolio durch, so findet man großartige Bilder wie dieses hier:
Um zurück zum Ausgangsthema zu kommen fragen wir uns jetzt „Ist dieses Foto echt?“ Na schauen wir doch mal nach, ist ja nicht so schwer… Was sehen wir, das Bild zeigt einen sehr stimmungsvollen Sonnenaufgang in einem verschneiten Nationalpark in Norwegen. Der Schnee ist unberührt, der Himmel ist tiefblau und die ersten Strahlen der Sonne lassen die weiß verschneiten Berge im Hintergrund rötlich aufleuchten während der Rest der Szenerie noch in das blaue Licht des Morgens getaucht ist.
Ist das „echt“? Wer schon einmal eine solche Szenerie erlebt hat, der wird jetzt sagen: „Klar das ist echt!“ Und dieser Haltung würde ich mich anschließen. Ein Indiz ist auch die perfekte Spiegelung der Szenerie in der Oberfläche des teilweise zu gefrorenen Sees.
Aber schauen wir und mal den Himmel an. In der Mitte zeigt sich etwas weniger Cyan als an den Rändern. Entweder hat der Fotograf hier einen Polarisationsfilter verwendet oder die seitlichen Teile des Himmels mit einer Software wie bspw. Nikon Capture NX in Verbindung mit zwei U-Points (Farbkontrollpunkte) leicht nachbearbeitet.
Ist das legitim? Ich denke JA!
EDIT vom 18.11.2012
Der Urheber und Fotograf Radomir Jabukowski hat sich heute weiter unten zu diesem Bild geäußert. Die RAW-Datei des Bildes wurde von der Jury des Fritz Poelking Preises der GDT für echt befunden. Es wurden also keine U-Points oder ähnliches bei der RAW-Konvertierung verwendet. Ob ein Polfilter im Spiel war oder nicht, halte ich für nicht maßgeblich, an der RAW-Datei könnte man es ohnehin nicht nachweisen und seine Erläuterung klingt in meinen Ohren sehr logisch. Ich will hier keinesfalls den Eindruck erwecken als hätte der Urheber dieses Bildes hier „geschummelt“. Wahrscheinlich ist meine Wortwahl nicht wirklich elegant.
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Das Bild entstand in einem Nationalpark. Wer sich schon in Nationalparks bewegt hat der weiß, auch dort stören immer mal wieder Hochspannungsmasten die Szenerie. Angenommen am Horizont hätte einer dieser Masten gestanden und er wäre vom Fotografen entfernt worden, wäre das legitim? Ich denke JA! Und spätestens jetzt beginnen sich die Geister zu scheiden. Die Szenerie ist malerisch, aber kein Fotograf könnte sich dagegen wehren, dass dort Strommasten aufgestellt werden. Damit wäre diese traumhafte Location bei Einhaltung strikter „Ethikregeln“ für weitere ernsthafte Fotografien dauerhaft zerstört, ein No-Go für „seriöse“ Fotowettbewerbe.
Damit würde man dieser Location unrecht tun und daher denke ich, dass es erlaubt sein sollte kleine störende „Anzeichen der Zivilisation“ nachträglich zu entfernen.
Schauen wir uns den Schnee im Vordergrund an. Was wenn ein noch früher aufgestandener Fotograf hier seine Fußspuren im Schnee hinterlassen hätte? Wäre es legitim gewesen diese zu entfernen? Hier ist meine Antwort ein klares „JEIN“ 🙂
Wären hier die Spuren eines Hasen zu sehen, so könnte man sie mit gutem Gewissen im Bild belassen, es würde das Foto vielleicht sogar aufwerten. Wären es jedoch die wenigen Minuten alten Spuren eines Menschen, so müsste sich ein wirklich ernsthafter Fotograf um einen etwas anderen Standort bemühen, hätte er das Ziel mit einem solchen Foto an einem Wettbewerb teilzunehmen. Eine Alternative wäre auch, am nächsten Tag zurück zu kehren und auf gutes Wetter und „makellosen“ Schnee zu hoffen.
Ich denke ein Fotograf wie Fritz Pölking hätte nichts digital entfernt, sondern sein Foto an anderer Stelle oder zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen.
Was denkt Ihr über meine „10 Gebote“ – was ist legitim, was nicht?
- Verwendung von Filtern (JA)
- Veränderung der Szenerie durch Bewegungsunschärfen (JA)
- Beeinflussung von Farben durch Filmmaterial (JA)
- Veränderung des Bildeindrucks durch eine ungewöhnliche Perspektive (JA)
- Veränderungen durch Nutzung von Shift/Tilt-Objektiven (JA)
- Veränderung der Proportionen durch die Wahl langer oder kurzer Brennweiten (JA)
- Entfernen störender Details wie Vögeln am Himmel (JEIN)
- Entfernen störender Details wie Hochspannungsmasten (JEIN)
- Austausch eines langweiligen Himmels oder anderer wichtiger Bildelemente (NEIN)
- Entfernen störender Spuren der Zivilisation, Autos, Häuser, Straßen (NEIN)
Warum Ja, warum Nein?
Zu „Gebot 7“ denke ich, dass man bei vermeidbaren Störeinflüssen kurz warten und es einen Augenblick später erneut versuchen sollte. Will man ein perfektes Bild einer menschenleeren Kirche, so sollte man die „störenden Objekte“ nicht digital entfernen, sondern abwarten bis sie weg sind!
Zu „Gebot 8“ denke ich, dass man zunächst durch die Wahl eines geeigneten Standpunktes versuchen sollte die störenden Elemente auszuschließen. Vielleicht gibt es einen Stein oder einen Strauch im Vordergrund der das was stört geschickt zu verdecken vermag?
Zu „Gebot 9“ denke ich, dass dies eine ziemliches „No-Go“ ist. Für nette private Fotos oder die eigene Webseite mag das ok sei, aber wer an einem Wettbewerb teilnehmen will, der sollte die „Wahrheit“ so gut wie möglich festhalten. Ist der Himmel langweilig und fade, so sollte man auf besseres Wetter hoffen oder mit diesem Bild einfach nicht an Wettbewerben teilnehmen. Es sei denn, man ist der kleine Bruder von Lance Armstrong…
Gleiches gilt für „Gebot 10“, gibt es auf einem Berg eine Bergstation die man dort nicht haben will, dann sollte man sich eine andere Himmelsrichtung aussuchen, oder die Fotos für sich behalten. Bei Häusern und Autos hört der Spaß ebenfalls auf. Häuser sollte man entweder in die Komposition einbeziehen oder sie ebenfalls durch einen geeigneten Standpunkt geschickt verdecken. Bei Autos kann man warten bis sie weg sind.
Wie steht es um Tonemapping und HDR?
Ein weiteres in den letzten Jahren immer wieder heiß diskutiertes Thema ist neben HDR das Tonemapping. Zwar gehören beide Techniken eng zusammen, doch man kann sie auch getrennt betrachten. Immer mehr Kameras bieten inzwischen einen eingebauten HDR-Modus. Hier geht es darum extreme Kontraste in den Griff zu bekommen. Ein vortrefflicher Streitpunkt für eine Wettbewerbs-Jury. Hat die Kamera einen eingebauten HDR Modus, so kann man ein einziges RAW-Bild einreichen und die meisten Juroren wären zufrieden. „Das Bild wäre ECHT“. Hat die verwendete Kamera dieses Feature nicht, so müsste man mehrere RAW-Bilder einreichen aus denen man sein fertiges Bild erstellt hat. Bei den meisten Juroren wäre man damit durchgefallen, obwohl es im Vergleich zum HDR aus der Kamera keinen Unterschied macht.
Beim Tonemapping gilt es eine weite Spanne von Tonwerten so zu verkleinern, dass sie sich auf Fotopapier oder einem Drucker ausgeben lassen. Etwas ähnliches haben Fotografen im analogen Zeitalter schon durch die Wahl von Filmmaterial, Entwicklungsverfahren und Gradation des Fotopapiers erreicht. Und ich halte das für durchaus legitim. Ohne diese Verfahren wären die Bilder von Ansel Adams nicht das was sie sind! Nur durch seine speziellen Verfahren Bildteile bei der Ausarbeitung auf Fotopapier „abzuwedeln“ und einige andere Tricks zu verwenden konnte er Fotografien mit nachhaltiger Bildwirkung erzielen. Bei modernen Varianten wie dem Tonemapping sind die Grenzen jedoch relativ fließend. So lässt sich fast jede langweilige Lichtsituation durch eine geschickte Belichtungsreihe und eine geschickte HDR-Verarbeitung mit gezieltem Tonemapping in eine annehmbare Lichtstimmung verwandeln. Das halte ich für den privaten und professionellen Gebrauch auch für legitim, aber bei einem Naturfoto-Wettbewerb haben solche Bilder nichts zu suchen. Hier wird neben der Technik und der Bildgestaltung auch die Ausdauer und der perfekte Zeitpunkt prämiert. Wer hier teilnimmt, sollte auch Arbeiten abliefern die möglichst weitgehend dem entsprechen was die ursprüngliche Bildsituation hergab.
Die Moral von der Geschichte
Die Ethik in der Fotografie ist somit die „Ethik des Einzelnen“. Wer selbst nicht getäuscht werden möchte, der sollte es auch nicht anderen versuchen. Vielleicht ist dies der beste Maßstab für „Was ist erlaubt und was nicht“. Nach der Bildbearbeitung sollte man sich das „Original“ anschauen und sich kritisch fragen, ob man das Ausmaß der Bearbeitung vertreten kann oder nicht. Im Zweifel sollte man „kritische Werke“ für sich behalten und sich nicht öffentlich damit brüsten. Das kann gut gehen muss es aber nicht. Der Rummel um diesen Fotopreis zeigt dies sehr schön. Und dass Lance Armstrong nach Jahren der Täuschung und Trickserei doch noch überführt werden konnte, das sollte auch einen Fotografen nachdenklich stimmen der mit seinen Arbeiten an einem Wettbewerb teilnimmt.





