Teneriffa 2012 – Tag 3

Expedition ins Anagagebirge

Es ist der dritte Tag auf „meiner Insel“ und heute will ich endlich mal etwas fotografieren. Nach dem Frühstück geht es mit unserem Mietwagen in Richtung Norden. Mein Ziel ist das Anagagebirge. Teneriffa besteht aus drei Vulkanen die im Laufe der Jahrtausende zusammen gewachsen sind: Anaga, Teno und Teide

Der Anaga ist der älteste dieser drei Vulkane und wie beim Teno, der der zweitälteste Vulkan ist, sieht man keinen Krater mehr. Nach vielen tausend Jahren hat der Anaga eine wundersame Bergwelt hinterlassen die recht einzigartig ist. An den schroffen Felsabhängen wächst der Nebelwald. Das klingt nach Elfen und Herr der Ringe ist aber ein treffender Name, denn hier gibt es komischer Weise ziemlich oft ziemlich viel ziemlich dichten Nebel. Dieser Nebel war bereits in den 70er Jahren die Ursache der größten Flugzeugkatastrophe aller Zeiten und er treibt sein Unwesen auf dieser Insel bis heute. Die Pflanzen des Nebelwaldes beziehen den Großteil der benötigten Wassermenge aus den durchziehenden Nebelschwaden. Vieles was hier wächst kennt man von daheim nicht, man nennt das auch „endemisch“. Nie zuvor habe ich auch derart riesige Löwenzahn-Pflanzen gesehen wie hier. Daheim in meinem kleinen Mainzer Garten sind die Blätter des ungeliebten Löwenzahns etwa 10 bis 20 Zentimeter lang. Im Anaga-Gebirge können diese Blätter schon mal einen Meter und länger sein.

Von Puerto de La Cruz aus erreicht man das Anaga-Gebirge indem man die Autobahn in Richtung Santa Cruz nimmt. Auf der Höhe der Stadt La Laguna biegt man nicht nach rechts zum Flughafen ab, sondern nimmt im Kreisverkehr unterhalb der Autobahn die Straße nach Norden, Las Mercedes ist das Zauberwort!

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Nach einigen kurzen Fotostopps lande ich schließlich wieder einmal am überragend schönen Aussichtspunkt Pico del Ingles. Hier habe ich im Jahr 2005 schon einmal eine wirklich kalte aber dafür sternenklare Nacht verbracht. Damals habe ich immer mal wieder gedacht „Was wenn jetzt eine Truppe betrunkener gewaltbereiter Kids hier auftaucht und mich so richtig in die Mangel nimmt?“ Die Kids kamen nicht, vielleicht gibt es sie auch gar nicht und wenn, dann treiben sie ihr Unwesen sicher eher in der Inselhauptstadt Santa Cruz. Hier erreicht seit der Finanzkrise die Jugendarbeitslosigkeit ein Rekordhoch nach dem anderen. Als ich heute am Pico del Ingels eintreffe steht dort ein Polizeiauto und zwei Polizisten überwachen das Kommen und Gehen. Als ich meine GoPro von der Windschutzscheibe montiere entlockt ihnen das ein müdes Lächeln. „Schon wieder so ein Vollhorn!“ scheinen sie auf Spanisch zu denken. Mir soll es egal sein, ich habe ein paar schöne „Fahrsequenzen“ aufgenommen.

(Hinweis: Alle Bilder sind 1000 Pixel breit oder hoch. Ggfs. einfach in neuen Tab öffnen)

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Meine D800E kostet zusammen mit dem AF-S 2.8/24-70mm runde 5.000 Euro. Sie liegt auf dem Beifahrersitz und ich lasse sie einfach mal dort liegen. Sie wird ja kompetent bewacht. Andernfalls hätte ich sie mir um den Hals gehängt oder sie gut geschützt vor neugierigen Blicken im Kofferraum verstaut. Das Licht ist relativ fies und der Nebelwald macht heute seinem Namen mal wieder alle Ehre. Also filme ich nur ein wenig mit meiner kleinen Panasonic HC-X909 und mache mich aus dem Staub als wenig später ungelogen DREI Busse voller Touristen eintreffen…

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Während die Touristen den Abzweig nach Taganana nehmen werden, um sich dort mit leckerem Fisch abfüttern zu lassen, führt mich mein Weg vorbei an der überaus einsam gelegenen Jugendherberge immer weiter in Richtung Norden. Schließlich habe ich den Parkplatz erreicht an dem ich meine kleine Wanderung hinauf zu einem famosen Aussichtspunkt mitten im Nebelwald starten will. Der Weg dort hinauf ist nach den intensiven Regenfällen der vergangenen beiden Wochen nass und glitschig. Meine neuen Joggingschuhe finden hier keinen rechten Halt und ich muss immer wieder aufpassen, dass es mit nicht von den Füßen reißt. Mit dem langen BENRO Stativ an meinem Rucksack und dem großen Kugelkopf obendrauf bleibe ich an engen Passagen, an denen man unter einigen umgeknickten Bäumen hindurch muss, immer wieder hängen. Es ist ein komisches Gefühl wenn man sich allein im Nebelwald glaubt und plötzlich ein toter Baum rücklings nach einem greift und versucht sich den schweren Fotorucksack unter den Nagel (oder die Rinde?) zu reißen. Zwischendurch stelle ich immer mal wieder die Panasonic Kamera auf das kleine Manfrotto Carbonstativ und filme mich selbst wie ich durch den Nebelwald stapfe. Einen Kameramann oder eine Kamerafrau habe ich ja leider nicht dabei, alles was ich filme muss ich ganz allein filmen. Ob sich draus später daheim in Deutschland ein netter Film schneiden lässt, das bleibt noch abzuwarten.

Da ich weder Drehbuch, noch Beleuchter, Tontechniker, Scriptgirl oder etwas anderes habe, halte ich es einfach mit Brad Ratner. Kennt diesen Regisseur überhaupt jemand? Der gute Brad hat schon als kleiner Junge witzige Trickfilme erstellt bei denen er die Stop-Motion-Technik verwendet hat, also die gute alte deutsche „Einzelbildschaltung“. Als Kind nannte er seine Filmfirma „Rat-Productions“ und in seinem „Logo“ hat er damals immer mal wieder eine Ratte integriert. Warum erzähle ich Euch das eigentlich? Ach ja, ich halte es bei meiner Filmerei so wie er. Brad Ratner hat mal in einem Interview gesagt, dass es ihm am Set oft schwer fällt zu entscheiden welcher Take brauchbar ist und welcher nicht. In seinen Filmen lässt der seine Schauspieler daher viele Szenen wieder und wieder durchspielen. Erst viel später im Schneideraum wird dann entschieden welche Szene verwendet wird und welche nicht. So ähnlich mache ich es hier auch. Ich nehme einfach alles auf was mir vor die Kameralinse kommt. Alles in der Hoffnung, später Material für einen Film zu haben der zu visualisieren vermag was mir im Kopf herum geht und der dennoch jugendfrei ist 🙂

Doch zurück zu meiner Wanderung. Der Aussichtspunkt ist leicht zu finden, vor allem wenn man ein GPS dabei hat und dort der entsprechende Wegpunkt bereits aus dem Vorjahr markiert ist! Als ich dort oben eintreffe bin ich zunächst vollkommen allein. Aber dann gesellt sich ein nettes deutsches Pärchen hinzu. Er kommt aus Hamm und sie ist in Selm aufgewachsen. Auch wenn mein Freund Fabian nicht zugegen ist, ich beantworte die Frage woher ich denn komme wieder einmal mit meinem Standardsatz: „Ich komme aus den Tropen!“ Rainer würde sich leicht angewidert abwenden, die es noch nicht kennen fragen auch heute wieder ungläubig „Aus den Tropen?“ „Ja klar, aus den Tropen: BotTROP, WalTROP, CastTOP, HönTROP…“ – „Da bin ich bei wech!“ …würde einer der „normalen“ Menschen entgegnen der zwischen Rhein und Ruhr aufgewachsen ist. Wir plauschen nett und schließlich kommt was kommen muss, das Erinnerungsfoto! Ich fotografiere die Zwei gleich aus mehreren Perspektiven, mal im Hoch- mal im Querformat – besser ist das – Brad Ratner hätte es auch so gemacht!

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Als die zwei den Heimweg antreten bin ich noch zwei Stunden vom Sonnenuntergang entfernt. Laut GPS soll er um 18:06 stattfinden, wie vertreibe ich mir nur die lange Zeit? Auf der Spitze des Berges haben fleißige Arbeiter schon vor vielen Jahren eine etwa einen Meter hohe und ca. 30 cm dicke Säule betoniert. Ganz oben sind drei kleine runde Platten eingelassen. Jede Platte hat eine V-förmige Kerbe, alle drei weisen auf den Mittelpunkt Säule. Mich beschleicht der Verdacht, dass hier gelegentlich der eine oder andere Vermessungstechniker hinauf marschiert. Beim Film 2012 von Roland Emmerich haben wir ja gelernt, dass ich im Falle der schockartigen Erwärmung des Erdkernes die Kontinente ziemlich rasch verschieben können. Ob dies ein Beobachtungsposten für den Kontinentaldrift sein könnte? Egal, der Film ist ziemlicher Blödsinn und die Erde wird sich auch durch fiese Mikrowellenstrahlung der Sonne nicht in den nächsten Jahren schlagartig erwärmen. Aber der Nebel der ist real und der verhindert die Sicht in die Ferne. Immer wieder reißt der Nebel kurz auf und so kann ich schnell das eine oder andere Infrarot-Foto und mehrere HDR-Bilder schießen. Aber es ist alles weit weg von dem was ich mir gewünscht habe. Kurz vor Sonnenuntergang zieht dann der „Nebel des Grauens“ auf. Eine echt miese trübe Suppe ist das. Die Sonne ist zwischenzeitlich gar nicht mehr zu sehen und das satte 950 Meter über dem Meer! Und mit dem feuchten Nebel kommt dann auch die Kälte, ich habe nur ein dünnes Hemd mit kurzen Ärmeln dabei. Die warme Jacke liegt unten im Auto. Hier ist nichts mehr zu holen und so mache ich mich an den Abstieg. Nach wenigen Metern stoße ich fast mit einem anderen Wanderer zusammen. Er filmt seinen Aufstieg, ich meinen Abstieg, wir müssen kichern. Und stolpern auf dem engen Weg fast über unsere eigenen Füße. Im Wald ist es jetzt düster und feucht. Der Weg ist noch rutschiger als beim Aufstieg. Ich habe die Panasonic an meinem kleinen Stativ befestigt und sie um 90° nach oben gedreht. Nun kann ich das Stativ an einem ausgeklappten Bein halten und die Kamera schwebt in Kniehöhe über dem Waldboden. Vielleicht sieht das später cool aus, vielleicht hätte Brad Junior das auch so gemacht?

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Wieder greifen die Bäume nach meinem großen Stativ und es fällt schwer nicht bei jedem zweiten Schritt auf den Hintern zu fallen. Bis es dann doch passiert. Ohne eine Vorwarnung rutschen die Sohlen der neuen Sportschuhe über den matschigen abschüssigen Waldboden. Hintern und Fotorucksack haben zeitgleichen Bodenkontakt, der Kugelkopf schlägt mir gegen den Hinterkopf und die Finger der rechten Hand werden fies im Stativ eingeklemmt. Alles keine gute Idee, vielleicht hätte ich das Stativ als Ersatz für einen Wanderstab nutzen sollen? Ich rapple mich leicht stöhnend wieder hoch und bin jetzt etwas vorsichtiger.

Als ich am Auto eintreffe bin ich froh, dass noch alles Scheiben heil sind. Diese einsam geparkten „gut versicherten Touristenautos“ werden gern mal ausgeräumt, auch auf Teneriffa. Während ich meine Sachen im Auto verstaue muss ich an meine kleine Rutschpartie denken. Und es kommt mir in den Sinn vielleicht ein wunderbares Video mit dem Titel „Epic Fail im Nebelwald“ bei YouTube hochzuladen. Man darf sich nicht zu ernst nehmen…

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Der Heimweg dauert länger als befürchtet. Kurve reiht sich an Kurve, schier endlos lang. Als ich am Mirador de las Mercedes eintreffe ist die Sonne weg und die Insel hat sich unter einer dichten Wolkendecke versteckt. Die Entscheidung den Heimweg anzutreten war korrekt. Dort oben wäre nichts mehr zu holen gewesen und ohne Taschenlampe den rutschigen Weg hinab zu laufen, hätte sich nur in  begrenzten Maße als erquicklich erwiesen.

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Im Hotel angekommen sitzt Sandra eingewickelt in eine dicke Decke auf dem Sofa und schaut bei SAT1 die Serie K11 oder etwas ähnliches. Ich kann das alles nicht auseinander halten. Abendessen gibt es für mich nicht mehr, es stehen noch ein paar Kekse auf dem Tisch. So gegen 22h liege ich im Bett und lasse den Tag noch einmal Revue passieren. Diese Insel ist schon cool. Auch wenn sie an vielen Stellen dicht besiedelt ist, es gibt auch hier die einsamen schönen Ecken. Zwischen all den Hotels und Supermärkten findet man immer wieder einsame herrlich ruhige Orte. Man darf nur eines nicht tun, man darf sich nicht mit einem Bus von einem „Highlight“ zum Nächsten kutschieren lassen. Kurz raus, das knipsen was alle knipsen, rein in den Bus und weiter. Das macht keinen Spaß und es fällt mir immer wieder schwer zu verstehen warum so viele Leute diese Touren buchen. Entweder sind sie zu knauserig für einen Mietwagen, nicht gut zu Fuß oder sie sind einfach nur zu bequem um sich eines Reiseführers, einer Karte, Google-Earth oder einer der vielen anderen Medien zu bedienen die helfen eine unbekannte Insel auf eigene Faust zu erforschen. Ob diese Touristen eigentlich wissen was sie verpassen?

2 Antworten auf „Teneriffa 2012 – Tag 3

  1. Schon mal vorweg: ganz tolle Fotos hast Du wieder gemacht. Würde mich aber auch freuen, das eine oder andere auch in Farbe zu sehen. 🙂

    Den Fim mit Deinem „Hoppala“ hab ich mir auch angesehen. Du warst ja ganz toll beherrscht, bei dieser Sache. Wäre das mir passiert, hätte ich den Film wegen Gefährdung Jugendlicher in verbaler Form, nicht veröffentlichen können. 🙂

    Die Insel ist ja wirklich traumhaft schön und im Anagagebirge sieht es ziemlich so aus, wie auf der benachbarten Insel La Gomera. Warst Du dort schon mal? Da findest Du erst recht so richtige Märchen- und Nebelwälder. Oben am Garajonay ist fast immer Nebel und die Bäume, die oft dicht mit herunterhängendem Moos bewachsen sind, sehen im Nebel richtig gespenstisch aus. Im Prinzip müsste ja sogar ein Tagesausflug mit der Fähre möglich sein, nur darf man leider nicht mit dem Mietauto hinüber.

    Du fragst Dich, warum so viele sich nur in diesen Touristenbussen herumkarren lassen. Ich denke, da gibt es viele Gründe.
    Viele machen auf Teneriffa auch ja eher nur Badeurlaub. Liegen den ganzen Tag am Strand und am Abend gehts in die Disco oder die älteren flanieren halt in den Straßen und Esplanaden der Tourismuszentren herum. Die buchen halt vielleicht so eine Tour, um dann zu Hause herzeigen zu können, was sie gesehen haben. Für mehr interessieren sich die meist auch gar nicht. Weder was die Landschaft, die Sprache, die Kultur oder die Leute, die dort leben, betrifft. Somit informieren sie sich über gar nichts.
    Wie sonst kann es sein, dass man selbst im Herbst Touris antrifft, die mit der Seilbahn auf den Teide in kurzen Hosen, Sandalen und ohne Jacke oder Pulli rauffahren und sich dann beschweren, dass es da oben saukalt war. Da reicht der Menschenverstand nicht so weit, dass es auf einen so hohen Berg oben eben kalt sein kann, auch wenn er auf Teneriffa steht und es unten am Strand heiß ist.

    Ein anderer Grund könnte Urlaub mit Kindern sein. So lange sie noch jünger sind, interessiert sie eher der Strand und nicht, dass man den ganzen Tag durch die Gegend fährt. Als unser Sohn noch Kind war, haben wir es ja auch nicht anders gemacht. Dann bucht man halt so einen Bustagesausflug, damit man wenigstens ein bisserl was sieht.

    Der nächste Grund könnte durchaus sein, dass vielen ein Mietauto für die ganze Zeit zu teuer ist. Ich denke da auch an die vielen Rentner, die oft ein paar Wochen dort sind. Da wirds schon teuer. Und viele ältere Leute wollen dann nicht mehr so viel selber herumfahren und sind sich auch schon etwas unsicher dabei.

    Aber Du hast schon Recht. Ich weiß auch nicht, ob diese Leute wissen, was sie versäumen. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich immer das Mietauto bevorzugen.

    Wegen der Kosten: wir habens ja auch nicht gerade so „dick“, aber wir haben dann eben eher bei der Unterkunft „gespart“. Wir haben immer eine Pauschalreise mit einfachem Hotel gebucht und haben uns dann dafür ein Mietauto genommen. Natürlich ist es nicht so wahnsinnig toll, wenn man mitten im Touristenzentrum wohnt. Aber so schlimm war das auch nicht. Erstens waren wir sowieso jeden Tag den ganzen Tag unterwegs und Abends konnte man dann doch ein bisschen flanieren oder den Tag in einer Strandbar gemütlich ausklingen lassen.

    Was die Touristen als Autofahrer betrifft: ich denke, Du wirst das ja auch schon erlebt haben. Denn wenn man so manche Mietautofahrer z.B. bei der Fahrt ins Mascatal erlebt, wie unsicher und ungeschickt sie sich beim fahren der manchmal engen Serpentinen anstellen, da haben wir uns schon öfter gewünscht, sie hätten doch lieber den Bus genommen. 🙂

    So, jetzt ists ein bisserl viel geworden. Sorry, Ich hoffe, es stört nicht. 🙂

    Wünsche weiterhin viel Spaß.

    lg Gabi

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