Teneriffa 2012 – Tag 11

Morgengrauen am kleinen Gala

Am Vortag habe ich kein einziges Foto geschossen sondern nur gefilmt. Heute will ich das ändern und mich mal wieder am einen oder anderen unwirklichen HDR-Foto (High-Dynamic-Range) versuchen. Nach dem Abendessen des Vortages kläre ich mit meiner Freundin Sandra, dass auch dieses Unterfangen eher was für extrem begeisterte Fotofreaks ist. Sie fotografiert selbst zwar auch sehr gern, aber ihre Toleranzgrenze ist deutlich niedriger. Sie nimmt in der Regel fotografisch mit was sich am Wegesrand bietet. Früh aufzustehen um einen grandiosen Sonnenaufgang zu fotografieren ist weniger ihr Ding. Und während andere Fotofreaks dem perfekten Sonnenuntergang entgegen fiebern, denkt sie eher an das Abendessen und eine heiße Dusche. So sind die Mädchen eben – ok nicht alle – aber fast alle 🙂

Wir haben das erkannt und einigen uns darauf, dass sie ausschlafen will und ich früh aufbrechen möchte um rechtzeitig an der Location meiner Wahl zu sein. Damit ich sie nicht wecke wenn ich früh am Morgen aufbreche, entscheide ich mich für ein  paar Stunden auf dem Sofa. Da ich der absolute Morgenmuffel bin, ziehe ich zum Schlafen einfach fast alles an was am nächsten Morgen den Körper bekleiden soll. Alle Fotosachen werden gepackt und so vor die Türe gestellt, dass ich im Halbschlaf nichts vergessen kann.

Nikon D800E - Tenerife - Sunrise

Da ich zu solch früher Stunde ohne einen Wecker niemals wach werden würde stelle ich den Wecker in meinem Telefon auf 5:00. Damit er auch wirklich um 5:00 Ortszeit klingelt muss ich noch die korrekte Zeitzone UTC+0 einstellen. Danach ist alles perfekt. Während Sandra an der Matratze lauscht gehe ich hinunter in die Lobby und schreibe meinen Artikel des Tages. Als ich deutlich nach Mitternacht wieder im Zimmer bin gibt es Schelte von meiner Freundin weil ich die „Türkarte“ mitgenommen habe. So wurde in unserem Appartement der Strom abgeschaltet und Mädchen fürchten sich im Dunkeln. Und schlimmer noch, es ging weder eine Nachttischlampe noch etwas anderes. Während ich unten in der Lobby an meinem BLOG geschrieben habe wurde hier oben die zweite „Türkarte“ gesucht um den Strom wieder einschalten zu können. Ok, der Strom ist wieder da, aber Sandra ist jetzt auch wieder hell wach. Wir verabschieden uns erneut und ich mache es mir auf dem Sofa so gut es geht für ein paar Stunden bequem. Um 4:45 steht dann Sandra neben mir, weckt mich und fragt warum ich noch hier bin. Ich wollte doch so früh los um nichts zu verpassen. Ok ok, ich bin ja schon weg. Während sie wieder im Bett verschwindet deaktiviere ich den Wecker in meinem Telefon, er hätte 15 Minuten später Alarm gegeben!

Nikon D800E - Tenerife - Sunrise

Zur geplanten „Weckzeit“ bin ich dann schon mit unserem Mietwagen auf der Autobahn in Richtung Süd-Westen unterwegs. Über El Tanque geht es weiter in Richtung Süden. Die Straße ist schmal und es gibt unendlich viele Kurven. Vor mit tuckert schon eine ganze Weile ein LKW den Berg hinauf. Er ist bis über die Unterkante mit Holz beladen und hat Mühe nach den Spitzkehren wieder in Fahrt zu kommen. Mir soll es recht sein, ich bin sehr gut in der Zeit. Da tauchen hinter mir die Lichter eines großen Nissan Trucks auf. Es ist eines dieser riesigen SUV Dinger mit Ladefläche und verchromten Überrollbügeln. Er fährt so dicht auf, dass ich im Rückspiegel nur noch seine Scheinwerfer sehen kann. In meinem Opel ist es taghell. Der Typ nervt total schließlich kann ich nicht schneller, denn vor mir ist der LKW. Das geht eine ganze Weile so bis wir einen Aussichtspunkt passieren. Dort kann ich kurz rechts ranfahren und den Drängler vorbei lassen. Innerlich koche ich aber inzwischen vor Wut. Klar ich sollte cool bleiben, weiß ich ja alles, aber es brodelt trotzdem. Nun drehe ich den Spieß mal um und fahre dicht hinter ihm stets leicht versetzt. Er scheint es irgendwann zu bemerken und als endlich ein gerades übersichtliches Straßenstück kommt hüllt er meinen Opel in dicke Ruß-Schwaden und überholt endlich den langsamen LKW. Ich bleibe dran, im zweiten Gang kommt mein Astra ganz gut vorwärts. Die Verfolgungsjagd geht los, es ist maskulines Pimmelfechen auf hohem Niveau. Der Typ ist nicht schlecht, er zirkelt seine 2 Tonnen schwere Allradkiste in atemberaubenden Tempo über die kurvenreiche enge Straße. Aber ich fahre auch seit fast 30 Jahren Auto und DER hängt mich heute nicht ab. Während wir uns gegenseitig den Berg hinauf scheuchen, rückt mein Ziel immer näher. Als ich beim Abzweig bin gehe ich von Gas und lasse die Rücklichter meines  Gegners in der Dunkelheit verschwinden. Eine total überflüssige gefährliche Jagd war das. Beim nächsten Mal versuche ich mich wieder zu beherrschen. Aber irgendwie ist das hier so üblich, fast jeder Einheimische drängelt was das Zeug hält sobald vor ihm ein Auto auftaucht auf dem einer dieser dämlichen Aufkleber der Mietwagen-Firmen zu sehen ist. Auf Dauer nervt das total. Ok, ein wenig kann ich es verstehen denn die meisten Mietwagen werden hier von alten Leuten kutschiert die unsicher und im Schneckentempo von einem Aussichtspunkt zum nächsten schleichen. Das kann einem wirklich den letzten Nerv rauben. Aber deshalb muss man die anderen Autofahrer nicht notorisch bedrängen. Bei mir soll es heute die Ausnahme gewesen sein, ich gelobe es hiermit hoch und heilig 🙂

Zur Auflockerung des Textes hier ein „Auto-Suchbild“ – einfach in neuem Tab öffnen und den silbernen Opel suchen…

Nikon D800E - Tenerife - Sunrise

Als ich am Parkplatz ankomme, an dem der Weg hinauf zum kleinen Gala beginnt, überlege ich kurz ob ich die letzten hundert Höhenmeter laufen soll? Eigentlich ist hier die Durchfahrt verboten, obwohl der Weg halbwegs akzeptabel asphaltiert ist. Aber es ist stockdunkel und es wird hier so früh am morgen weder ein Wanderer noch ein Förster vorbei kommen, also rauf auf‘s Gas und den Berg hinauf. Die Stelle an der ich parken will habe ich mir bei der letzten Fotosession schon ausgeguckt. Dort angekommen parke ich den Opel rückwärts auf einem Abzweig zu einem Feldweg ein. Das ist gar nicht so leicht denn es ist stockfinster und der Feldweg zweigt im Winkel von fast 45° nach oben ab. Aber der Opel schafft das und die Handbremse hält das Auto sicher dort fest.

Es ist noch stockfinster als ich mich auf mache um die wenigen letzten Meter zu meinem Fotospot zu laufen. In der Jackentasche habe ich die tolle LED-Taschenlampe. Dieses Ding ist extrem hell und ohne sie würde ich nur nachtblind durch die Gegen stolpern. Gut, dass ich sie dabei habe!

Die Kameras sind schnell aufgebaut. Während die kleine Panasonic in Richtung Santiago del Teide hinunter zum Meer blickt und auf die ersten Sonnenstrahlen wartet, mache ich die Nikon D800E und das AF-S 2.8/24-70mm schussbereit. Bei ISO-800, Blende 4 und 30 Sekunden Belichtungszeit schießt sie ein Bild nach dem anderen. Später möchte ich daraus wieder eine kurze Zeitraffersequenz (Time Lapse) erstellen. Die Kamera steht auf meinem großen stabilen Carbon-Stativ. Aber es ist wirklich windig und die ersten Fotos sind total verwackelt. Wind ist neben Staub und Dunst der schlimmste Feind des Naturfotografen. Ich kann es mildern indem ich mich direkt neben die Kamera stelle und sie so in meinem Windschatten ihre Arbeit verrichten kann. So stehe ich nun fast eine Stunde zusammengekauert neben meiner Kamera und zähle die Minuten die im Schneckentempo vergehen.

Während ich dort stehe fällt mir ein hell leuchtender Stern auf der gleicht rechts neben der Spitze des Pico del Teide aufgeht. Er bewegt sich irgendwie schneller als die anderen Sterne. Was ist das? Da kommt mir eine Idee, ich habe auf meinem HTC Telefon das Programm „Google Sky-Map“. Schnell hole ich mein Telefon hervor und siehe da, es ist die Venus! Das hätte ich nicht erwartet, ich sehe wie die Venus am Himmel empor klettert, der Wahnsinn. Dieser Planet wird von unserer Sonne fast so hell beleuchtet wie unser Mond. Die Venus ist größer als unser Mond aber viel weiter entfernt und daher nur als kleiner heller Punkt am Himmel auszumachen. Auf dem Telefon kann ich auch die Position der Sonne ausmachen, sie wird noch ein Stückchen unterhalb des virtuellen Horizonts angezeigt. Ich habe noch eine Weile Zeit…

Hier ein „Venus-Suchbild“…

Nikon D800E - Tenerife - Sunrise

Nach etwa einer Stunde schaue ich mal nach was die kleine Panasonic inzwischen aufgenommen hat. Es ist praktisch nichts zu sehen, für diese Kamera ist es einfach noch viel zu dunkel. Während ich hin und der probiere ist es dann plötzlich als hätte jemand neben mir das Licht eingeschaltet. Fast ist es als könnte ich es hören, die Sonne schaut frech rechts unterhalb der Spitze des Pico del Teide hervor. Genau so hatte ich es mir gewünscht und mein Studium der Location bei Google-Earth hat sich wieder einmal ausgezahlt.

Nikon D800E - Tenerife - Sunrise

Eine Stunde später ist das Schauspiel dann vorbei und auf der Speicherkarte meiner Nikon D800E haben sich sage und schreibe 43 GB Bildmaterial angesammelt. Es geht zurück zu Hotel und als ich dort gegen 10h eintreffe freue ich mich auf ein ausgedehntes Frühstück. Danach wird die Beute gesichtet und ich bin mehr als zufrieden. Daraus wird sich in den nächsten Wochen noch das eine oder andere schöne Foto zaubern lassen. Gegen 14 haben wir dann unseren nächsten Termin. Während Sandra mit der Frau meines Freundes Wolfgang einen ausgedehnten Ausritt durch die Bergwelt von Teneriffa unternimmt sitzen wir in der Sonne und unterhalten uns über die schönsten Foto-Locations im Süd-Westen der USA. Später geht es auf ein Eis und einen Kaffee nach El-Sauzal. Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir zurück und genießen ein großartiges Schauspiel über dem Tal von La Orotava.

Nikon D800E - Tenerife - Sunrise

Morgen soll es dann nach Abades zur ehemaligen Lepra-Station gehen. Dort hat das Militär in den 70er Jahren für Geiselbefreiungen trainiert. Heute ist es eine kleine Geisterstadt am Meer. Ich bin gespannt welche Motive sich dort morgen finden lassen werden.

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